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Dienstag, 22. Dezember 2015

TOP 150 RECORDS OF THE YEAR 2015 (No. 50 bis 26)

DIE ALBEN DES JAHRES 2015 - Part V.
[Part I.]
[Part II.] [Part III.] [Part IV.] ... [Part VI.]


REVIEW
50
MILEY CYRUS

Miley Cyrus and Her Dead Petz

Es zeichnete sich bereits auf dem 2013er Album "Bangerz" ganz besonders bei der Single "Wrecking Ball" ab, dass der einstige Teeniestar nicht nur durch Skandale seine Vergangenheit ablegen möchte, sondern dass das Mädchen aus Tenneesse auch durchaus das Potential hat - im Gegensatz zu Bieber und Co. - sich neu zu erfinden.

Die einstige Disney-Queen hat nun unter dem Namen MILEY CYRUS & HER DEAD PETZ ein Album veröffentlicht, mit dem ihre Plattenfirma nichts zu tun hat und das sie stattdessen mit befreundeten Musikern von den Flaming Lips und dem gerne unterschätzten Ariel Pink eingespielt hat.

23 (!) knallbunte Popsongs in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen mit konstanter psychedelischer Unterfütterung (was bei den Mitmusikern nicht verwundert) enthält dieses monumental anmutende Werk, welches einen anfangs schier erschlägt wie die Überflutung auf einer Süßwarenmesse. Deswegen hilft nur: Probieren, probieren und probieren. 

TOP 3 SONGSDooo it, BB Talk, Karen don't be sad ... LISTEN on Homepage


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REVIEW
49
MOUNTAIN GOATS

Beat the Champion

Konzeptalben sind erfrischend in einer Zeit, in der zunehmend einzelne Songs über eine Bandkarriere entscheiden. Seit mehr als zwanzig Jahren scheren sich The Mountain Goats, die 1991 von Singer- Songwriter John Darnielle in Kalifornien gegründet wurden, einen feuchten Kehricht um Hits und ihre Schnelllebigkeit.

Für das 20te (!) Album "Beat the Champ" hat John Darnielle sich nun überlegt, den Wrestling-Helden seiner Jugend ein Denkmal zu setzen: "'Beat the Champ' is about professional wrestling, which was an avenue of escape for me when I was a kid. Wrestling was low-budget working class entertainment back then, strictly UHF material. It was cheap theater. You had to bring your imagination to the proceedings and you got paid back double. I wrote these songs to re-immerse myself in the blood and fire of the visions that spoke to me as a child, and to see what more there might be in them now that I'm grown."

TOP 3 SONGS: Southwestern Territory, Fire Editorial, The Legend Of Chavo Guerrero  
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REVIEW
48
DJANGO DJANGO
Born Under Saturn


2012 kürte der Musikexpress das Debütalbum "Django Django'" der Studienfreunde aus London zum Album des Jahres. Absolut zu Recht, denn mit "Default" befand sich auf dem Werk ein höchst tanzbarer Monsterhit und auch die anderen 12 Songs waren voller Raffinesse.

Für das berühmte schwierige zweite Album setzen die Bandmitglieder David Maclean (Schlagzeug, Produzent), Vincent Neff (Gesang, Gitarre), Jimmy Dixon (Bass) und Tommy Grace (Synthesizer) weiterhin auf ungewöhnliche Klänge, aber die Wucht, mit der ihr Erstling den Hörer traf, ist nur noch in wenigen Songs vorhanden. Ganz können die Briten das Niveau also nicht halten, aber trotzdem beileibe kein schlechtes Album - dazu ist das ausgefeilte Songwriting der Briten einfach zu gut.

TOP 3 SONGSFirst Light, Life we know, 4000 Years ... LISTEN on Homepage
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47
LAURA MARLING

Short Movie

Mit 18 Jahren veröffentlichte die britische FolkPop-Sängerin Laura Marling ihr Debütalbum "Alas, I cannot swim". Sieben Jahre später hat sich aus dem Teenager, der vorher schon zwei Jahre bei der Indie-Band Noah & the Whale musizierte, eine vielbeachtete selbstreflektierende Songwriterin entwickelt, die drei Mal für den Mercury Prize nominiert war und 2011 einen Brit Award gewann.

"Short Movie" ist ihr fünftes Album und das erste, bei dem sie mit alten Gewohnheiten bricht: "Ich habe bemerkt, dass ich mich kaum je länger als zwei oder drei Wochen an einem Ort eine befunden habe, seit ich 16 war. Ich habe mich gefragt, wie es sich anfühlen würde, wenn ich für Weile sesshaft werde und die letzten acht Jahre noch einmal Revue passieren lasse".

Neben der neuen Sesshaftigkeit entschloss sich Marling, statt einer akustischen Gitarre eine elektrische zu nutzen und das Album komplett selbst zu produzieren. Herausgekommen ist ein offenherziges Werk über die Gefühlswelt einer sensiblen Künstlerin, vor allem über ihre wohl sehr schwierige Zeit in den Vereinigten Staaten, bei dem man zuhören muss. 

TOP 3 SONGS: Don't let me bring you down, Strange, Warrior ... LISTEN on Homepage
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46
JESSICA PRATT

On Your Own Love Again

Jessica Pratt lebt in San Francisco und begann im Alter von 15 Jahren mit dem Gitarrespielen. Sie ist eine klassische Songwriterin, die ihren leicht spleenigen Folk meist mit Fingerpicking-Technik auf der akustischen Gitarre spielt und in einigen Songs es tatsächlich schafft, dass dieses Instrument wie eine Harfe klingt. Ihre kindliche Sopran-Stimme ruft - an sich widersprüchliche Vergleiche - mit großen Künstlerinnen wie Joanna Newsom, Marianne Faithful, Kate Bush, Joni Mitchell oder Nico hervor. Mit letztgenannter Künstlerin verbindet Jessica Pratt auch die melancholische Stimmung, die dem Album „On Your Own Love Again“ anhaftet, obwohl es an der sonnigen Westküste aufgenommen wurde. Aber trotz diese eher düsternen Stimmung, die über dem Album liegt, lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, dass Pratt eigentlich eine hoffnungslose Romantikerin ist, die mit faszinierender Einfachheit knisternde und rauschende magische musikalische Momente erschafft. Seufz.

TOP 3 SONGSBack Baby, Strange Melody, Wrong Hand ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
45
FABIAN

Fabian

Fabian wurde 2013 in Leipzig gegründet und Max Rieger (Die Nerven) hat es sich nicht nehmen lassen, die Band ins Studio zu begleiten, um das Debütalbum zu produzieren.

Das Quartett, bestehend aus Vitiko Schell (Vocals & Lyrics), Jonas Eckhardt (Bass), Max Kraft (Gitarre, Trompete, Keys) und Troben Jäckel am Schlagzeug, punktet vor allem durch den Raum, den sie ihren Songs und ihrer Sängerin geben. Ob laut oder leise, der Sound ist vielschichtig, aber nie überfrachet und liebäugelt trotz aller PostWave-Klangmalereien immer wieder auch gerne mit dem Jazz (bestes Beispiel "Homeboy" und "Impostor"). Und wer zur Hölle behauptet, dass nur Franzosen beim Englischsingen irgendwie bezaubernd klingen, Sängerin Vitiko Schell klingt jedenfalls fast so lieblich, wenn auch mit deutlichem deutschen Akzent, wie die anbetungswürdige Hope Sandoval 

TOP 3 SONGS: Kline, Homeboy, Warsecenes ... LISTEN on Homepage


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REVIEW
44
WAXAHATCHEE

Ivy Tripp

Als das Album im April erschien, tat ich mich schwer mit den schrägen verschachtelten Songs der amerikanischen Songwriterin Katie Cruchfield, aber in den vergangenen Monaten ist die Saat aufgegangen und "Ivy Tripp" ist mir ans Herz gewachsen. IndiePop nicht spektakulär, aber mit Köpfchen.


TOP 3 SONGS: Less than (<), La Loose, Bonfire ... LISTEN on Homepage
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43
LA PRIEST

Inji

Wer es liebt, wenn man sich erst ganz langsam an ein Album herantasten muss, wenn man nicht sofort Zugang findet, dafür dann aber eine neue Liebe, der sollte sich unbedingt anhören, was Sam Eastgate, alias Sam Dust (früher Sänger bei Late of the Pier) auf  "Inji" an schrägen Tönen und Melodien absondert. Zehn ungewöhnliche mutige Stücke über Sex und Liebe für Hörer, die die Grenzerfahrung nicht scheuen: ScienceFictionIndieFunkPop mit zappaesken Zügen. 

TOP 3 SONGS: Party Zute / Learning To Love, Oino, Night Train ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
42
THE ARCS

Yours,Dreamily,

Nachdem das letzte Black Keys-Album "Turn Blue" aus dem Jahr 2014 viel zu überproduziert und glattgebügelt war, hat wohl auch Dan Auerbach die Alarmglocken läuten hören, denn mit seinem neuen Nebenprojekt The Arcs geht Auerbach nicht nur einen, sondern gleich mehrere Schritte zurück - und das ist gut so!

"Yours, Dreamily," klingt in erster Linie unglaublich relaxt und verdammt groovy. Auerbach hat den BluesRock der rauen ersten Black Keys-Alben mit einer ordentlichen Dosis Soul bestückt und sich wieder mehr auf das Songwriting und weniger die perfekte Produktion konzentriert.

TOP 3 SONGS: Put a Flower in your Pocket, Velvet Ditch, Searching the Blue 
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41
SOAK
Before We Forgot How to Dream


Die heute neunzehnjährige Nordirin Bridie Monds-Watson war anscheinend schon im zarten Teenageralter von dreizehn eine Seele, die sich ihr Freud und Leid von der Leber schreiben musste, denn auf ihrem Debütalbum "Before We Forgot How to Dream" befinden sich Songs, die sie im Zeitraum des Erwachsenwerdens bis heute geschrieben hat. Umso erstaunlicher, wie weise in den Texten und reif in der musikalischen Verarbeitung dieses Album ist.

So fordert Soak beispielsweise in "B a noBody"  ihre Generation dazu auf, die überstrapazierte Selbstdarstellung im Netz sein zu lassen oder ruft  in "Reckless Behaviour" den eigenen Willen als Ziel nie aus den Augen zu verlieren. Musikalisch bewegt sich die Irin außerordentlich geschickt zwischen Lagerfeuerromantik, orchestralen Folk, Kammermusik und Pop. Bei einem Reifegrad nach so kurzer Zeit darf man von Soak noch viel Gutes für die Zukunft erwarten.

TOP 3 SONGS24 Windowed House, Hailstones don't hurt, B a noBody  
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REVIEW
40
SOKO

My Dreams Dictate My Reality

Das Debütalbum "I Thought I Was an Alien" der Französin SoKo erschien 2012 und dreht sich seitdem unzählige Male auf meinem Plattenteller. Diese Zerrissenheit in der Stimme, gepaart mit Zerbrechlichkeit und Wut, gehen bei jedem Hören ein Stück tiefer unter die Haut.

Erstmals aufmerksam auf sich machte die 1986 in Bordeaux geborene und mittlerweile in Los Angeles lebende Sängerin mit dem bürgerlichen Namen Stéphanie Alexandra Mina Sokolinski 2007 mit dem Song "I Kill her". Wer den Song zum ersten Mal hört, wird sich an dem charakteristischen französischen Akzent, mit dem SoKo englisch singt, vielleicht anfangs stören, aber keine Angst, das ist nur der Erstkontakt - später wird man den Akzent lieben ;-).

Auf „My Dreams Dictate My Reality” hat sich SoKo verändert! Nicht nur äußerlich von schwarz zu blond, sondern auch vom Sound und sogar der französische Akzent ist deutlich weniger geworden. Der Sound ist nicht mehr (nur) zerbrechlich, sondern düster, unglaublich düster. Song Nummer 9. "Peter Pan Syndrome" klingt wie die weibliche Version von Robert Smiths Dunkel-Epos "Pornography" aus dem Jahre 1982.

Überhaupt lassen sich ziemlich viele Vergleiche zu den unterschiedlichsten Alben aus der Cure-Diskographie ziehen. So überschlägt sich beispielsweise bei "Temporary Mood Swings" die Stimme wie beim Cure-Klassiker "The Love Cats" und die flächigen Keys in "Visions" könnte man der "Seventeen Seconds" Phase zuordnen. Wenn man dann noch hört, dass sich SoKo niemand geringeren als Ross Robinson als Produzenten erkoren hat, wird deutlich, wie gewollt dieser Stilwechsel zum 80s-Gothic ist.

Das Erstaunliche ist, wie gut der Französin dieser Wandel gelingt, ohne dass sie an Profil verliert. Jeder Song ist ganz klar ein SoKo-Song und zeigt er noch so viele Referenzen aus der Musikgeschichte auf.

TOP 3 SONGS: Who wears the Pants??, My Dreams dictate my Reality, I come in Peace ... LISTEN on Homepage
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39
BLUR

The Magic Whip

Ganze 16 Jahre ist es her, dass Blur in Originalbesetzung ein Album veröffentlichten. 16 Jahre! Da kann man eine Familie gründen, ein Haus bauen, einen Baum pflanzen, sich scheiden lassen und in manchen Gegenden (Sauerland, Saarland) sogar schon Großvater werden.

Blur
schafft es, die eigene Identität aus glorreichen BritPop-Zeiten zu behalten und sich trotzdem weiter auszudifferenzieren. Alle Songs des neuen Album sind charakteristische Blur-Songs, konnten aber keinesfalls in einer früheren Phase entstehen. Die Wiedervereinigung Coxons und Albarns ist gelungen. Der smarte Melancholiker und virtuose Singer/Songwriter Albarn profitiert vom Herrn der Riffs und Licks und umgekehrt. Blur ist also im Gegensatz zu Oasis noch immer in Bewegung, im Hier und Jetzt, und mutmaßlich auch in Zukunft. 

TOP 3 SONGS: Lonesome Street, My Terracotta Heart, Ghost Ship ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
38
UNKNOWN MORTAL ORCHESTRA

Multi-Love

2013 war "II" vom Unknown Mortal Orchestra eine meiner Lieblingsplatten, aber als wäre der Bandname ein Fluch, blieb der verdiente Erfolg aus.

Ende Mai erschien auf Jagjaguwar mit "Multi-Love" das dritte Album der amerikanisch-neuseeländischen Band und damit ein neuer Versuch, die Aufmerksamkeit eines breiteren Publikums auf sich zu ziehen.

War auf "II" noch der Schmerz des Alleinseins das zentrale Thema, rücken nun menschliche Beziehungen und die vielfältigen Komplikationen, die daraus entstehen, in den Fokus. Der psychedelische stets groovende Retro-Sound, mit analogen, zum Teil wieder selbst zusammengebastelten, alten Synthesizern bleibt neben Nielsons hoher Stimme weiterhin so einzigartig, dass man die Band schon nach wenigen Takten erkennt.

TOP 3 SONGS: Multi-Love, Can't keep checking my iPhone, The World is Crowded
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37
ANNA VON HAUSSWOLFF
The Miraculous

Nicht nur der Name, Anna Michaela Ebba Electra von Hausswolff der Künstlerin wirkt angsteinflössend, auch das Cover ihres neuen Albums "The Miraculous" und ihre Musik sind vordergründig verstörend. Ein seltsames einzigartiges Gebräu aus ProgRock, Psychedelic, Metal, Gothic und Orgelmusik.

Die Schwedin inszeniert sich eindrucksvoll als Fürstin der Dunkelheit im barocken Gewand mit deren Klangmalereien historische SW-Horrorfilme zu neuem Leben erwachen könnten. Die herausragende Nummer des Albums, "Come Wander With Me / Deliverance" erstreckt sich über mehr als 10 morbide Minuten. Schöner hat bisher kaum einer die dunkle Messe gelesen. Amen.

TOP 3 SONGSCome Wander With Me / Deliverance, Stranger, Discovery 
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REVIEW
36
VINNIE WHO

Harmony

Der Däne Brett Anderson kann als Erfinder der LoFi-Disco gefeiert werden! Wie das klingt? In etwa so: Foxygen schmeißen Lana Del Rey bei der Produktion ihrer neuen LP aus dem Studio, behalten die Songstrukturen und übernehmen Gesangsspur und Mischpult, dann schneit Ariel Pink herein, der sich gerade mit zugekifftem Kopf Bilitis angesehen hat und dreht liebevoll an den Knöpfchen.  



TOP 3 SONGS: Much much more, Only Dreaming, Funtime ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
35
SUN KIL MOON

Universal Themes

Wer dachte, mit "Benji" hat Mark Kozelek sein Pulver vorerst verschossen, der lag aber so was von daneben, denn mit der nun, nur ein Jahr später, veröffentlichten LP "Universal Themes" knüpft er nahtlos an dem kleinen Meisterwerk des Vorjahres an.

Die Platte beginnt mit einem knapp neun Minuten langem Song über ein sterbendes Opossum! Ja, dieser Mann hat etwas zu sagen, wenn er von seiner Plattenfirma nach Worten bezahlt würde, könnte er sich wahrscheinlich alsbald zur Ruhe setzen! Meist sanft plätschert die Folk-Gitarre und der Singer/Songwriter erzählt und erzählt und erzählt und philosophiert. Von seiner harten Arbeit, vom Telefonat mit seiner Süßen, vom Heimweh, vom Filmgeschäft, von der Frustration Hitler zu schauspielern, von Veronica aus Mailand, vom täglichen Kampf und natürlich vom Gesang der Vögel. Kozelek erzählt in seinen Songs eigentlich keine wirklichen Geschichten, sondern schildert viel mehr alltägliche Begegnungen, so als wären sie Tagebucheinträge oder ein Sammelsurium an Kurznachrichten. Kurz: Kozelek ist einer der wichtigsten Chronisten unserer Zeit.

TOP 3 SONGS: This Is My First Day And I'm Indian And I Work At A Gas Station, Cry Me a River Williamsburg Sleeve Tattoo Blues, Birds of Films ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
34
DESTROYER

Poison Season

"Kaputt" war vorgestern (2011), jetzt ist "Poison Season". Das Jetzt ist anders. Deutlich mehr orchestrale Wirkung und deutlich mehr Jazz steckt im neuesten Werk von Singer und Songwriter Dan Bejah, der sich trotzdem oder eben deshalb weiterhin schwer in Schubladen stecken lässt.

Nimmt man zum Beispiel einen Song wie "Dream Lover", kann man durchaus anmerken, dass vielleicht weniger mehr gewesen wäre, aber dann wäre es halt kein echter Destroyer-Song. Wenn sich seine Kompositionen an den Pop schmiegen, dann halt immer in geradezu ekstatischer Manier. Ebenfalls in manisch-depressiver Ekstase befinden sich auf "Poison Season" die Instrumente Saxophon, Trompete, Flöte und Geige, womit klar sein dürfte, welch ein Husarenritt dem Zuhörer abverlangt wird.

TOP 3 SONGS: Times Square, Sun in the Sky, Forces from Above ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
33
ALABAMA SHAKES

Sound & Colour

Das 2012 erschienene Debüt-Album „Boys & Girls“ der Alabama Shakes, welches auf erfrischende Weise Southern Rock, Blues und Soul verband, war zu recht ein Megaerfolg. In den USA und im United Kingdom schaffte es das Album in die Top 10, in Deutschland verkümmerte es hingegen nur auf Rang 59 der Verkaufscharts, obwohl die Hit-Single "Hold on" nicht wenig RadioAirplay zu verzeichnen hatte.

Die Erwartungen an den zweiten Streich der Band aus Athens in Alabama waren folglich unterschiedlicher Natur. Während es in Britannien und USA galt zu zeigen, dass man keine Eintagsfliege ist, sollte das Album die Band in Deutschland weiter nach vorne bringen. Selten wurden Ziele so klar erreicht. In den USA schaffte die Band mit "Sound & Color" Platz 1, in Großbritannien die Position 6 und in Deutschland darf man in Zeiten von Helene Fischer & Co. über Platz 28 auch sehr stolz sein.

Fakt: "Sound & Color" meistert die Hürde des schwierigen zweiten Albums mit Leichtigkeit. Natürlich steht auch beim zweiten Longplayer der Shakes die einzigartige Stimme von Sängerin Britany Howard im Vordergrund und natürlich ist es wieder die souligste BluesRock-Variante, die derzeit auf diesem Planeten zu hören ist.

TOP 3 SONGSDon't wanna Fight, Gimme all your Love, Dunes ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
32
DU BLONDE

Welcome Back to Milk

Die in Kalifornien sesshafte Beth Jeans Houghton, jene Künstlerin, die 2012 mit dem brillanten Album "Yours Truly, Cellophane Nose" debütierte und die Grenzen des psychedelischen Folks auslotete, hat sich mal eben eine neues Pseudonym zugelegt.

Die musikalische Richtung des ersten Albums ist nur noch in wenigen Songs ("Hunter", " Four in the Morning") zu erkennen, die neue Marschroute als Du Blonde heißt mehr Rock und vieeeel mehr Zorn (auf Social Media-Hater, Chauvis und Spießbürger mit Fiffis an der Leine). Folk war gestern. Unter dem neuen Pseudonym streift Beth das anscheinend nach einer Platte schon viel zu eng gewordene Korsett ab und macht sich ungezügelt frei - was man auf dem wunderbaren Plattencover auch visuell sehr gut erkennen kann.

TOP 3 SONGSRaw Honey, Mind is on my Mind, Mr. Hyde  ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
31
LEVIN GOES LIGHTLY

Neo Romantic

Schon wieder Stuttgart! Im Fußball läuft es für die Baden-Württembergische Hauptstadt ja eher suboptimal, aber in Sachen Musik entwickelt sich in der sechstgrößten Stadt Deutschlands zunehmend eine höchst beachtenswerte Szene. Neuester auffälliger Act ist der 25-jährige Levin Stadler, der unter dem etwas sperrigen Namen Levin goes Lightly im weitesten Sinne PostRock inszeniert.

"Neo Romantic" ist nach dem 2013 erschienenen Debüt „Dizzy Height“ das zweite Album, das Stadler zusammen mit Paul Schwarz (Gitarre), Thomas Zehnle (Bass) und Max Rieger am Schlagzeug eingespielt hat.

Mit "1989", dem ersten Song des Albums wird eigentlich schon deutlich, dass es sich um eine düstere Zeitreise in die musikalische Vergangenheit von Gothic und Dark Wave handelt. Die analogen Keys flirren, der Beat vom Drumcomputer ist minimalistisch und auch im Gesang orientiert sich Stadler an legendären Dunkelmännern wie Ian Curtis oder Andrew Eldritch. Aber auch wenn die Vorbilder dermaßen offen liegen, vermag es Levin goes Lightly ganz wie es der Albumtitel verspricht, dem Genres neues Leben einzuhauchen.

TOP 3 SONGSSpeedways, Silence is Violence, Perfume ... LISTEN on Homepage


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30
IMAN OMARI

High-Loops & Higher-Loops

Das Kifferalbum des Jahres, aber auch für Nichtraucher geeignet, kommt von Iman Omari einem amerikanischen Singer, Produzenten und DJ aus Los Angeles.

Ähnlich wie Gonjasufi, der ebenfalls aus Kalifornien stammt, bastelt Omari skizzenhafte Songs, die auf HipHop basieren, aber auch von Jazz, RNB, Soul und Funk inspiriert sind. „High-Loops & Higher-Loops“ ist eine Art Soundpuzzle, bei dem die Teile perfekt ineinanderpassen. Den besonderen Kick verleiht die an alte Crooner erinnernde Stimme Imans dem Album, die man allerdings nur auf Cassette mit den interessanteren Flip-Versionen (meist mit Vocals) erhält - seltsame, aber irgendwie auch sympathisch unwirtschaftliche Veröffentlichungspolitik, die er aber auch gleich wieder rebellisch unterläuft - siehe Bandcamp-Page ;-).

TOP 3 SONGSAddicted (Flip), Diamond Girl, Green Light (Flip) ... LISTEN on Homepage


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REVIEW
29
POND

Man It Feels Like Space Again

Was Neues, was eigentlich nicht neu ist. Wie Pond-Frontmann Nick Allbrook in einem Interview verriet, wurde Album Nummer sechs "Man It Feels Like Space Again" aus einem Berg von Tapes gebastelt:

Es war eigentlich schon längst alles fertig. Aber in einem Anflug von Wahnsinn und der Leidenschaft haben wir einfach alles noch mal zerschmettert, vermischt und in einem kleinen Studio in Melbourne wieder zusammengeflickt.

Der Titel des Albums darf getrost als Programmhinweis verstanden werden, denn Joseph Ryan, Jay Watson, Nick Allbrook und einige befreundete Musiker haben sich dem psychedelischen Rausch so weit hingegeben wie selten zuvor. Die Zutaten haben sich im Vergleich zu den Vorgänger-Alben gewandelt, es gibt weniger GlamRock, weniger BluesRock-Anleihen und die Refrains und Hooks sind tiefer im psychedelischen Strudel verwoben. Funktionierte "Beard, Wives, Denim" (2012) schon beim ersten Anhören, muss man "Man It Feels Like Space Again" deutlich mehr Spielraum zur Entfaltung geben

TOP 3 SONGSElvis' Flaming Star, Man It Feels Like Space Again, Zond
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REVIEW
28
PUNCH BROTHERS

The Phosphorescent Blues

Welch graziles Meisterwerk die Punch Brothers mit ihrem vierten Album "The Phosphorescent Blues" vorlegen, lässt sich nur schwer in Worte fassen.

Einerseits scheint die Musik vor Leichtigkeit zu schweben, andererseits legt sie sich aber auch schwer auf das Gemüt. Einerseits will die Platte Pop sein, aber andererseits auch Kammermusik. Oder doch Bluegrass, Folk, Jazz oder Country? Oder gar Klassik?

Versucht man das Album mit Adjektiven zu versehen, entstehen ähnliche Widersprüche: Elegant, virtuos, verspielt, reduziert, melancholisch, warm, anschmiegsam, erhaben, fesselnd, audiophil, konstruiert, spannend, entspannend, leidenschaftlich, beseelt, feingeistig, nonchalant, aufwühlend, euphorisch, wild, groovig, meditativ, laut, leise, abwechslungsreich, vertraut.
 
TOP 3 SONGSJulep, Forgotten, My Oh My ... LISTEN on Homepage
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27
CHADWICK STOKES

The Horse Comanche

Wie ich beim diesjährigen Rolling Stone Weekender feststellen durfte, verbirgt sich hinter dem Namen Chadwick Stokes keine Band, sondern der in Boston lebende Sänger Chad (Chadwick) Stokes Urmston.

Chad ist ein sympathischer Zeitgenosse, der nicht nur auf einer Hochzeit tanzt. Bereits 1996 gründete er die Band Dispatch, mit der er politischen Crossover-IndieRock spielt. 2002 ruft er die Band zusammen mit Bassist Chuck Fay und Schlagzeuger Mike Najarian State Radio ins Leben, die sich auf eine Mixtur aus RootsReggae und Rock konzentrierte.

2011 dann der Schritt zum Solokünstler mit dem Album "Simmerkane II", der 2015 mit "The Horse Comanche" fortgeführt wird. Auf "Horse Comanche" findet man die Essenz aus seinem bisherigen musikalischen Schaffen. Reggae in "Our Lives our Time", Calypso und Blues kreuzen sich im Song "Prison Blue Eyes", Folk und Country in "Walter (First Hello)" und "Hazy Maze" ist ein atemberaubende BluesRockballade und gleichzeitig ein sanfter Singer/Songwriter-Song. Das Meisterstück gelingt ihm aber mit dem, dem Album den Namen gebenden Song "The Horse Comanche": Knapp sechs Minuten zwischen KammerPop und orchestralem Folk. Unglaublich gefühlvoll gesungen und zeitlos schön.

TOP 3 SONGSHorse Comanche, Hazy Maze, Our Lives our Time ... LISTEN on Homepage
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REVIEW
26
JULIA HOLTER

Have You in My Wilderness

Einfach schön, im positivsten Sinne ist das, was man als erstes zu Julia Holters neuem Album "Have you in my Wilderness", dem mittlerweile viertem der Singer/Songwriterin, sagen muss. Lange hat mich kein Album mehr so mit Harmonie und Wohlgefühl übergossen. Die Kalifornierin singt immer noch verträumtwirkende melancholische Balladen, aber den Songs haftete jetzt eine neue Leichtigkeit an, als wären sie auf weichen Federn gebettet.

Beim Album-Opener "Feel you" begleitet ihre glockenhellen Mädchenstimme ein Strauß aus Streichern und ein sanfter Beat gibt den bedächtigen Rhythmus vor. Natürlich wurde das Album in einem Studio aufgenommen und auch elektronische Instrumente eingesetzt, aber es klingt so organisch und lebendig, dass man sich vorstellen möchte, es wäre auf einer lichtdurchfluteten Waldlichtung eingespielt, wo die nächste Steckdose unzählige Kilometer entfernt in einer Wand einsam und verlassen kauert. Ja, diese Musik ist vertonte Poesie und ich komme beim Beschreiben nicht umhin, ins Schwelgern zu geraten.

Bleibt die abschließende Frage, die man sich bei so gut wie jedem Lied auf der Platte stellt: "Ist das nun noch Pop oder schon Kunst?" Wer ein Etikettchen benötigt, der möge es magischen Singer/Songwriter-ArtPop nennen.

TOP 3 SONGSFeel you, Sea calls me Home, Lucette stranded on the Island
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