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Montag, 6. Mai 2013

PARENTHETICAL GIRLS / Privilege

Wer glaubt im Pop sind bereits alle Stilmixturen vollbracht, der hat die Rechnung ohne die Parenthetical Girls aus Everett (Washington) gemacht. Es braucht etwas Zeit, bis die eigenwilligen Songs sich öffnen und die poppigen Melodien zum Vorschein kommen, aber es lohnt sich.

Zac Pennington
(Vocals) ist Gründungsmitglied der Band, die schon zahlreiche Bandmitglieder verschlissen hat und derjenige, der die Parenthetical Girls am Leben erhält. 2002 gründet er die Band zusammen mit einem Schulfreund, damals noch unter dem Namen Swastika Girls. Ideen hatte man viele, Equipment wenig und schlechtes, das Label Lo-Fi hatte man also schnell angeheftet.

Nach einem unüberwindbaren Zerwürfnis mit dem Schulfreund scheint die Band am Ende, aber Pennington zeigt Biss. Es gelingt ihm, Jherek Bischoff (Drummer von Dead Science) und Jamie Stewart (Xiu Xiu) für die experimentellen Songs zu begeistern. Beide machen aus dem vorliegenden Material völlig unterschiedliche Werke, die dann auf Vinyl unter dem Namen "(((GRRRLS)))" veröffentlicht werden.

Nun ist der Weg geebnet! 2006 erscheint das zweite Album "Safe As Houses" und die Band darf schon bald für Mainacts wie die Smashing Pumpkins und White Stripes den Support bestreiten. Mit dem 2008 erschienenen "Entanglements" ist die Fangemeinde groß genung geworden, um eigene Tourneen auch im Ausland anzugehen und mit dem neuen Werk "Privilegs" ist man nun auch auf ausgiebiger Tour durch Deutschland - dämlicherweise konnte ich das Konzert in Köln nicht sehen :-(

Bevor es um den Inhalt geht, muss man unbedingt über die Verpackung, sprich das Cover des neuen Albums sprechen. Während man auf der LP/CD das Abbild von Mastermind Zac Pennington als Illustration [ja, es ist ein Mann] erhält, wurden die 12-Inches (und auch einige digitale Downloads) mit Portraits der Bandmitglieder dargeboten. Auf Vinyl ist natürlich längst alles ausverkauft, aber es besteht auf der Homepage der Band die Möglichkeit, das Privilege-Box-Set mit der kompletten 12-Inch-Serie in limitierter Auflage von 500 Stück, mit Blut von den Portraitierten unterzeichnet, zu erwerben. Allerdings muss man dafür 200 US-Dollar locker machen, also wenn mir jemand eine Freude machen will ;-).

Wie modernes Marketing funktioniert, weiß die Band also defintiv, was man auch daran sieht, dass es für fast jeden Song aus dem neuen Album einen offiziellen Clip auf YouTube gibt - die Videos sind ebenso ungewöhnlich und hochwertig wie die Musik der Band.


In musikalischer Hinsicht orientieren sich die Parenthetical Girls aber überhaupt nicht am Markt! Das höchst androgyne Mastermind Zac Pennington scherrt sich überhaupt nicht um Konventionen und ist daher sicherlich eine helle Freude für Freunde von ähnlich schrägen Bands wie bespielsweise Ariel Pink's Haunted Graffiti.

Beim Gesang neigt Pennington dazu - wie Brett Anderson von Suede, oder Morrissey - die Töne zu ziehen und eine große Portion Pathos in seine Stimme zu legen. Im ersten Song des Albums "Evelyn McHale" wird das auch direkt deutlich, wo trotz der eigentlich recht fröhlichen Grundstimmung des Songs, durch den Gesang und das Akkordeon eine gehörige Dosis Melancholie dazu kommt.



"The Common Touch" ist theatralisch aufgebaut, ähnlich wie man es von Antony Hegarty gewohnt ist. Penningtons Stimme bricht und überschlägt sich, die Instrumentierung mit Klavier, Oboe (und wieder Akkordeon) wird durch lautstarke Eruptionen aufgewühlt und am Ende übernehmen zwei weibliche Stimmen den Gesangspart [sind das die umtriebigen Schwestern von Cocorosie oder klingen die beiden weiblichen Bandmitglieder so??]. Habe lange gegrübelt an was oder wen mich speziell dieses Lied, und noch einige weitere Kompositionen auf "Privilege" erinnern, bis die Denkmaschine die Popwelt verlies und in der modernen Klassik fündig wurde: Philip Glass !



Bei "Careful Who You Dance With" agiert zum ersten Mal der Synthesizer im Vordergrund. Wären die Beats fetter könnte, man jetzt denken man hätte es mit einem Song von den Editors zu tun. Zu Beginn eher in Richtung Kammermusik, geht dagegen das erhabene "For All The Final Girls", aber dann gesellt sich die Rhythmusabteilung dazu und verleiht dem Lied Verve.

Düster, dunkel und bedrohlich klingt "The Pornographer". Die Stimme ist anklagend, das Schlagzeug rumpelt fett. Es lohnt sich übrigens auch die ironisch bis zynischen Texte des seltsamen Vogels Pennington (rund um gesellschaftliche Mißstände, Sex und menschliche Abgründe) mal etwas genauer zu Gemüte zu führen.



Der Song "Sympathy For Spastics" ist reduziert auf Penningtons Stimme und einer perlenden wie geloopt wirkenden Klavierpassage. Nur punktuell werden musikalische Akzente gesetzt. Wirklich alle Feinheiten kann man - wie in fast allen Songs des Albums - nur beim aufmerksamen Zuhören und am besten über Kopfhörer erfassen.

Mit orchestraler Instrumentierung wird der Balladen-Olymp bei "Weaknesses" erstiegen. Aber dann kommen plötzlich ein poppiger Rhythmus und seltsam verschrobene Keyboardklänge dazu und schon schaffen es die Parenthetical Girls wieder die üblichen Erwartungen bei Seite zu schieben.

Furiosen Indie-Pop - durchaus auch für die Indie-Disco - bekommt man bei "A Note To Self" geliefert. Die Melodie geht ins Ohr, die Gitarre twengt und das Beinchen zappelt unweigerlich im Rhythmus. Das Drum-Solo klingt wie bei Bow Wow Wow! Auch "Young Throats" macht ordentlich Rabatz! Vergleiche zu Suede hatte ich ja schon stimmlich gezogen, hier trifft der Vergleich aber definitiv auch auf die Komposition und Instrumentierung inkl. Backing-Chorgesänge zu.

"On Death & Endearments" hat einen schleppenden Rhythmus und eine schwelgerische Melodie. Die Lyrics sind eine Art Abschiedsrede eines dem Tode Geweihten, der vor versammelter Trauergemeinde sein Leben rekapituliert.

"The Privilege"  und auch der letzte Song "Curtains" sind SynthiPop-Nummern mit 80er Jahre a la Pet Shop Boys Appeal - für die Parenthetical Girls ziemlich eingängig und "The Privilege" würde ich sogar eine gewisse Radiotauglichkeit bescheinigen.



Viel abwechslungsreicher kann ein Popalbum eigentlich nicht sein und viel besser als Herr Pennington, kann man sich auch nicht als Popstar inszenieren.

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