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Sonntag, 16. Juli 2017

RODRIGUEZ / Cold Fact (1970)

HERZPLATTENREMEBER THAT OLD SHIT
Kategorie: Folk, Singer/Songwriter
Veröffentlichung: 1970

 

Am 10. Juli 1942 wird,als Sohn mexikanischer Einwanderer in Detroit ein Junge namens Sixto Diaz Rodriguez geboren.

Er wächst in den sozialen Brennpunkten seiner Heimatstadt auf, absolviert trotzdem die High School und beginnt anschließend in Kneipen und Clubs aufzutreten, um als Singer/Songwriter mit selbstkomponierten Songs und sozialkritischen Texten Geld zu verdienen.

RODRIGUEZ singt über Drogenhändler, Prostituierte und über das ärmliche Leben in den Straßen Detroits.
Seine Vorbilder sind die Rolling Stones und Leonard Cohen, musikalisch bewegt er sich aber eher in Richtung Dylan und vor allem Nick Drake, mit dem er den Hang zur melancholischen Tiefe teilt.

1967 nimmt er seine erste Single "I’ll Slip Away" auf. Die Studiomusiker Dennis Coffey, seinerzeit Studiomusiker für die Funk Brothers, eines der Zugpferde auf dem trendigen Motown-Label und Mike Theodore vermitteln ihn an das neu gegründete Label Sussex Records, wo er mit den beiden Studiomusikern als Produzenten 1970 sein Debüt-Album "Cold Fact" herausbringt.



Das Folk-Album enthält 12 Songs, von denen bis auf  "Hate Street Dialogue" und "Gomorrah (A Nursery Rhyme)" alle aus der Feder von Rodriguez stammen. "Cold Fact" erhält von den Kritikern gute Rezensionen, bleibt aber, aus welchen Gründen auch immer, wie Blei in den Regalen liegen. Nachdem auch sein 1971 veröffentlichtes zweites Album "Coming from Reality" in den USA floppt und ihm die Plattenfirma kurz vor Weihnachten kündigt, beendet er seine eigentlich nie gestartete Musikkarriere und verdient seine Brötchen als Sozialarbeiter, ungelernte Kraft an einer Tankstelle und Bauarbeiter.



Mehr als 13.000 km entfernt verfasst 1996 ein gewisser Stephen Segerman aus Südafrika für den Begleittext der neuaufgelegten CD "Coming from Reality" einen Begleittext, in dem er dazu aufruft, das Mysterium um den in Südafrika höchstpopulären Künstler Rodriguez zu lüften. Ende der 70er Jahre hatten dessen Lieder in dem von Apartheit geprägten Land die Herzen der unzufriedenen Bevölkerung erobert und ihm eine Popularität verschafft, die keinen Deut hinter der der Beatles oder von Simon & Garfunkel zurückstand. Es hieß, er habe sich nach einem Konzert erschossen oder sei ein Drogenopfer geworden, aber Genaues über den Künstler wusste niemand.


1997 publiziert Segermann eine Internetseite, auf der er die noch recht kleine Netzgemeinschaft bittet, ihm bei der Suche nach Rodriguez zu helfen und falls vorhanden, Hinweise in einem Kommentra zu hinterlassen.

Der südafrikanische Journalist Craig Bartholomew liest zufälligerweise den Aufruf in der CD und beginnt mit Recherchen, indem er dem Finanzstrom aus Südafrika folgt - der allerdings trotz millionenfach verkaufter Platten, davon nämlich größtenteils Bootlegs und Raubkopien, nicht sehr groß ausfiel - und hofft so auf den Künstler zu stoßen. Aber die Plattenlabel können oder wollen nicht weiterhelfen und so ist es schließlich ein Kommentar auf besagter Internetseite, der dazu führt, das Mysterium um den südafrikanischen Superstar zu lüften.

Der Eintrag lautet sinngemäß in etwa: "R. ist mein Vater und er lebt. Wenn Sie weitere Informationen wünschen kontaktieren sie mich."


Die Tochter, eine von dreien, denn Rodriguez ist mittlerweile verheiratet und hat drei Töchter, stellt den Kontakt zwischen Segermann und Rodriguez her. Es fiel dem Amerikaner sicher schwer zu glauben, was der Südafrikaner ihm erzählte. Er, der zwar nie große Erfolge feierte, aber immerhin in Australien, wo er auch einen gewissen Bekanntheitsgrad entwickelte hatte, in den frühen 80ern ein paar Konzerte spielte, der 1981 sein Bachelor-Studium in Philospohie erfolgreich abgeschlossen hatte und sich mehrfach als Bürgermeisterkandidat für Detroit versucht hatte, ER war in Südafrika ein Superstar.

Es kam, wie es kommen musste. Rodriguez packte seine Gitarre und seine Familie flog nach Südafrika und spielte 1998 sechs ausverkaufte Konzerte in Südafrika.

2001 wird im südafrikanischen TV der Dokumentarfilm "Dead Men Don't Tour: Rodriguez in South Africa 1998" ausgestrahlt. 2006 beginnt der schwedische Dokumetarfilmer Malik Bendjelloul mit den Arbeiten an seinem unbedingt sehenswerten Film über die Wiederauferstehung des Musikers Rodriguez. "Searching for Sugar Man" wird 2013, einem Jahr nach seiner Veröffentlichung, als bester Dokumetarfilm mit dem Oscar ausgezeichnet. Seitdem steht das Album zum Film und auch "Cold Fact", das Debütalbum des einfachen Mannes aus Detroit, in immer mehr Musiksammlungen auf der ganzen Welt.


Die Songs des erst vergessenen und mittlerweile legendären Albums:

"Sugar Man": Mit Drogen der tristen Realität entfliehen. Mit psychedelischen schrillen Untertönen und unerwarteten Eskapaden, aber einer Melodie, die man niemals mehr vergisst.

"Only Good for Conversation": Warum bei Rodriguez immer wieder Vergleiche mit Jimi Hendrix auftauchen? Dieser Song ist die Antwort.

"Crucify Your Mind": Scott Walker trifft den Geschichtenerzähler Bob Dylan. Von den Träumen, die wir alle haben und die wir nur selten erreichen, weil wir über das Träumen die Realität vergessen.

"This Is Not a Song, It’s an Outburst: Or, the Establishment Blues": Rebellion in Noten und einer der Songs, weswegen Rodriguez in Ländern mit Unterdrückung und Freiheitsdrang zur Ikone wurde.

"Hate Street Dialogue": Einer von zwei Songs auf "Cold Fact", der nicht von Rodriguez geschrieben wurde. Es geht in dem Song nich um "Hate", sondern um eine legendäre Hippie-Gegend (Haight / Ashbury) in San Francisco.

"Forget It": Die etwas andere Art Tschüss zu sagen.

"Inner City Blues": Blues über die harten Fakten in der Working Class in Detroit zu leben. Da Rodriguez den Stadtteil Dearborn im Songtext erwähnt, vermutet Craig Bartholomew richtig, dass Rodriguez aus dem Großraum Detroit stammt.

"I Wonder": Der Kultsong in Südafrika, der auf den Schallplatten dort verkratzt wurde, um die Bevölkerung vor diesen aufrührerischen freigeistigen Texten zu schützen.

"Like Janis": Rodriguez selbst behauptet, die Personen in seinen Songs seien immer fiktiv, aber selbstverständlich bezieht sich dieses Lied auf Janis Joplin, die sieben Monate nach dem Erscheinen von "Cold Fact" verstarb.

"Gommorah (A Nursery Rhyme)": Der zweite Song, der nicht aus der Feder von Rodriguez stammt. Bluessong, dem der ganz spezielle Rodriguez-Spirit im Gegensatz zu "Hate Street Dialogue" allerdings etwas fehlt.

"Rich Folks Hoax": "The sun is shining, as it's always done. Coffin dust is the fate of everyone. Talking 'bout the rich folks. The poor create the rich hoax. And only late breast-fed fools believe it."

"Jane S. Piddy": Wahrscheinlich auch eine Art der Verneigung, aber nicht kritiklos vor Janis Joplin und ihrem außergewöhnlichen lebenshungrigen Lebensstil.

Tracklist:
01 Sugar Man
02 Only Good for Conversation
03 Crucify Your Mind
04 This Is Not a Song, It’s an Outburst: Or, the Establishment Blues
05 Hate Street Dialogue
06 Forget It
 07 Inner City Blues
 08 I Wonder
 09 Like Janis
10 Gommorah (A Nursery Rhyme)
11 Rich Folks Hoax
12 Jane S. Piddy


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